Advanced Living


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Gelebte Zukunft. Wie die Experimente der Bio-Hacking-Szene nun neue Bereiche erobern und Menschen begeistern.


Vorbei sind die Zeiten als die Modifikation des Körpers nur in kleinen, dunklen Kämmerchen von ein paar Nerds betrieben wurde. Heutezutage ist es möglich allerlei Zubehör auf seriösen Internetseiten mit nur einem Mausklick zu bestellen. Oder sich auf Chipping-Parties im Büro zusammen mit seinen Arbeitskollegen*innen ein Implantat einsetzen zu lassen. Die Technisierung des Körpers wird neu zelebriert und gewinnt so neue Anwendungsbereiche, wie Arbeit, Banking oder Kosmetik.

Advanced Living entstammt dem Bio-Hacking, agiert aber außerhalb der Grinder-Subkultur und ist deshalb zugänglich für einen heterogeneren Personenkreis. Mit der Hybridisierung des Menschen mit Technik, sollen alltägliche Aufgaben, wie bargeldloses Bezahlen oder das Teilen der eigenen Kontaktdaten, erleichtert werden.

Ebenso sind viele Körpererweiterungen auch Informationsschnittstelle zwischen Körper und Außenwelt. Nicht selten, werden die Körpererweiterungen aus Lifestyle- und Imagegründen oder auch nur zum Spaß eingesetzt. Mit der Anwendung der close to-und in-body Technologien werden neue, artifizielle Fähigkeiten geschaffen. Zukunft wird gelebt, Fortschritt wird einverleibt.

Am häufigsten werden in dieser Kategorie RFID-Chips oder auch NFC-Chips in Form eines Implantats angewandt, vereinzelt aber auch als Explantat, wie ein Nagelstudio in Dubai zeigt. Der NFC-Sticker ziert den Nagel wie ein Schmuckstück und fügt sich ganz unscheinbar in das Gesamtbild mit ein. Wird ein Smartphone über das Plättchen gehalten, leitet das NFC-Signal zu jeder gewünschten Information weiter, die auf dem Chip hinterlegt wurde.

Besonders beliebt sind neben schwächeren Magneten auch LED-Leuchten, die ebenso mit Hilfe einer Implantation oder einer äußeren Anbringung am Körper angewandt werden können. Zudem gibt es auch immer wieder Experimente, die ihre Massentauglichkeit erst unter Beweis stellen müssen, wie z.B. das PegLeg von Michael Laufer, der sich ein Router Board in den Oberschenkel implantieren hat lassen, um immer seinen eigenen verschlüsselten Internetzugang dabei zu haben.3 Nicht selten gibt es Träger die sich mit mehreren, verschiedenen Körpererweiterungen gleichzeitig ausstatten.

Was sich sowohl am Naildesign, als auch am PegLeg erkennen lässt, ist der rohe formalästhetische Ansatz. Die Objekte sehen aus wie einzelne Bauteile und erscheinen unfertig (vgl. Raw Approach).

Die Explantate wirken dadurch komplex und schwierig. Sie sind nicht für jeden verständlich. Die Implantate sind unsichtbar und Funktionen, die sie durch Gesten und Bewegungen auslösen, wirken wie Magie auf Außenstehende. Bezahlen ohne die Geldbörse oder das Smartphone zu zücken, das Zugticket von der Hand abscannen lassen – Zukunft sein.

»Ja, diese Technisierung ist ja auch was Gutes, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Leute, die nicht so drauf sind, sich dadurch ein bisschen entfremdet fühlen.« – Elle Nerdinger, Vorsitzende des Cyborgs e.V.

Die Körpererweiterungen der Kategorie sind Prestigemittel und dienen zur bewussten Abgrenzung. Anwender*innen werden zu Vorläufern der Zukunft und stechen aus der Masse heraus, indem sie ihre Körper auf diese Art und Weise weiterentwickeln.

In der Schmiede des Bio-Hackings entstehen ständig neue, innovative Ideen. Einige werden sich wie die NFC- oder RFID-Chips durchsetzen, insofern sie Werte und Bedürfnisse der breiten Anwenderschaft erfüllen.



Take Away

Advanced Living ist, wie der Name schon sagt, Ausdruck eines fortschrittlichen, zukunftsorientierten Lebensstils. Mit jeder Interaktion der wearable und invasiven Technologie werden die neu erlangten Fähigkeiten zelebriert. Obwohl die Körpererweiterungen in vielen Fällen kaum sichtbar sind – bedingt durch ihre Platzierung oder auch durch ihre Größe – wird über ihre Benutzung Neugier und Aufmerksamkeit bei der Außenwelt ausgelöst.